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BDSM-Museum: Kinky Kulturprogramm mit Message

Museen gibt es zu so gut wie Allem. Sucht man neben Naturwissenschaften, Technik und bildender Kunst aber nach dem Thema Sexualität, landet man schnell bei lieblosen Sextoy-Touri-Museen in schmuddeligen Hinterhöfen. Was BDSM angeht, findet man dort maximal ein verstaubtes Paddle. Nirgendwo wird die wahre Geschichte hinter dem Kink erzählt.

Janus und Solea wollen das ändern und im Oktober 2021 das erste BDSM-Museum der Welt in Hamburg eröffnen. Die Mission ist es, Verständnis und Akzeptanz für die BDSM-Kultur in der Öffentlichkeit zu fördern. Nicht umsonst ist das Projekt als gemeinnützig anerkannt. Wir durften der Projektleitung unsere Fragen stellen.


Warum brauchen wir ein BDSM-Museum?

Ein BDSM-Museum – Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen?

Janus: Das war im Sommer 2020 bei einem Stammtisch im Freien. Wir haben darüber diskutiert, wie viel BDSM in die Öffentlichkeit gehört. Viele Menschen haben gar keinen Zugang dazu. Oft kennen Menschen nur Klischeebilder aber wissen nicht, was BDSM bedeutet oder warum man das macht und was es einem gibt. So kam die Idee, genau das zu zeigen. Was wäre dafür geeigneter als ein Museum? BDSM als Kulturgegenstand braucht einen Platz in der Gesellschaft.

Das Logo des BDSM-Museums.

Wie wichtig ist es euch, einen realen Ort zu schaffen wo Menschen hingehen können?

Janus: Mit einem physischen Museum sind wir Teil des öffentlichen Raums. Wir erobern uns einen Platz in der Mitte der Gesellschaft. Und wir haben ein Anrecht darauf, uns nach außen zu präsentieren und sichtbar zu sein.

Auf BDSM-Spurensuche

Ihr beleuchtet die Hintergründe und die Entstehungsgeschichte von BDSM. Von wann stammen die ersten Aufzeichnungen zu BDSM-Handlungen?

Janus: Wann BDSM anfing ist eine gute Frage. Grob gesprochen geht es ja darum, einen positiven Bezug zu Macht und Schmerz zu haben. Das sind Themen, die Menschen schon immer fasziniert haben. Abbildungen von Fixierungen oder Auspeitschen gibt es schon früh. Es kommt aber auf den Kontext an: Riten und Traditionen, bei denen Schmerz oder eine gewisse ritualisierte Gewalt, Macht oder Fesselungen eine Rolle spielten, können unterschiedlich gedeutet werden. Inwiefern man das jetzt in einen eindeutig sexuellen Kontext im Sinne von BDSM umdeuten kann, ist oft schwierig.

Bei den Etruskern wurden Särge mit Flaggelationsszenen geschmückt. Das legt nahe, dass man diesem Thema eher positiv begegnet ist. Auch in griechischen Sagengeschichten kommen eine Vielzahl sexuellen Fantasien vor. In Bordellen im Mittelalter gab es Nonnenkostüme und Schulzimmer. Das alles lässt darauf schließen, dass Menschen schon immer das Bedürfnis hatten in Rollen zu schlüpfen und gewisse Situationen nachzuspielen.

Ein Blick in die Vergangenheit

Wie könnte BDSM in der Vergangenheit ausgesehen haben?

Janus: Es gibt ein sehr gut überliefertes Zeugnis aus der viktorianischen Zeit. Nämlich eine D/s-Beziehung von einem Herrn aus der Mittelschicht, Arthur Munby, und einer Arbeiterfrau, Hanna Cullwick.1 Diese hat sich selbst als seine Sklavin gesehen. Gleichzeitig war das Ganze aber von beiden gewollt.

Solea: Angestellt war sie bei jemand anders. Die beiden haben sich kennengelernt, weil dieser Herr Fotografien hergestellt hat von Frauen, die Knochenjobs nachgingen. Denen man also die harte Arbeit ansah. Das war sozusagen sein Kink, auch wenn es diesem Begriff noch nicht gab und er die sexuelle Komponente leugnete. So ist er auf sie getroffen und daraus entstand eine Brieffreundschaft und auch diese D/s-Beziehung.

Janus: Dieser Mann hat sogar versucht, sie zu bilden und wollte sie quasi aus ihrer Schicht befreien. Sie wiederum war sehr zufrieden dort wo sie war, beharrte auf finanzieller Selbständigkeit und hat es sogar sehr positiv empfunden, nicht in einem engeren Sittenkorsett der Mittelschicht zu stecken. Das ist für damalige Verhältnisse sehr selbstbestimmt.

Unter anderem im Museum zu sehen: Barrel Cage by https://bdsmarchitecture.com/.

Was für eine Art von Aufzeichnung war das? Wurden da Tagebücher gefunden oder gab es einen Vertrag?

Janus: Es gab sowohl Fotos, als auch Tagebuchaufzeichnungen. Aufzeichnungen von ihr, in denen sie berichtet, was Ihre Arbeiten sind und Briefe und eben auch Fotografien. Darauf ist auch zu sehen, dass sie einen Halsreif trägt. Freiwillig, weil sie das für ihren Herren möchte.

Wie sieht es mit dem gegenteiligen Frauenbild aus? Gibt es Artefakte, die auf weibliche Dominanz schließen lassen?

Solea: Hier gibt es gute Fotografien aus der Kriegs- oder Nachkriegszeit. Das waren heimliche Pornoaufnahmen. Frauen, die andere schlagen oder peitschen, meist nackt oder mit Fetisch-Kleidung und Schuhen.

Der Weg zur Einvernehmlichkeit

Welche Rolle spielte damals Einvernehmlichkeit?

Janus: Menschen sind sich immer schon in Liebe und Fürsorge begegnet. Es gab auch schon immer Sitten und Moralvorstellungen, aber oft unter dem Aspekt, dass die Ehre von Familie, Mann oder Frau nicht befleckt wird. Das ist aber noch kein modernes Verständnis von Einvernehmlichkeit, sondern eher zweckgebundenes um nicht von Normvorstellungen abzuweichen.

Wie haben sich Einvernehmlichkeit und unsere Sicherheitskonzepte wie SSC oder RACK entwickelt?

Solea: Der größte Sprung war ungefähr in den 70ern. Entstanden durch zwei unabhängige Vereine in den USA, die “Society of Janus” und die “TES“. Beide haben erste BDSM-Spielformate erstellt, bei denen Konsens die Grundlage war.

Janus: Zu der Zeit gaben es auch einen großen Fortschritt in den Kommunikationsmedien. Zeitungen und Magazine konnten viel günstiger produziert und vertreiben werden. Beispielsweise gab es ein frühes Magazin in Deutschland. Unter dem Deckmantel der Sittenpflege wurden darin Haushalts-Erziehungsmethoden diskutiert bis es verboten wurde. Erst als die Macht der Religionen zurückging und die Zensur einfach nicht mehr mithalten konnte, weil so viel produziert wurde, haben die Menschen sich organisieren können. In den USA gab es beispielsweise die Kinsey-Sexualstudien ,über die sich in Folge starke BDSM-Netzwerke etablierten.

Was uns im BDSM-Museum erwartet

So ein Magazin gibt es dann bei euch in der Ausstellung zu sehen?

Janus: Ja, wir haben alle Ausgaben der Schlagzeilen und wollen auch eine originale Erstausgabe präsentieren.

Was wird im BDSM-Museum sonst gezeigt werden? Gibt es schon ein Ausstellungsstück auf das ihr besonders stolz seid?

Janus: Wir haben eine alte Erstausgabe eines Klassikers, in neuer Auflage heißt Werk und Titel: “Die ‘O’ hat mir erzählt”. Das ist auch ein Stück Literaturgeschichte und hat unser Verständnis von D/s und Fantasien geprägt.

Wird es zu den Exponaten Erklärungen oder Audiobooks geben? Grade für Vanillas wäre das ja sehr hilfreich?

Janus: Neben den Exponaten werden natürlich kurze und knackige Texte stehen, um es in den jeweiligen Bereich der Ausstellung einzuordnen. Beispielsweise bei der Geschichte der O, dass es hier um weibliche submissive Fantasien geht.

Und Führungen?

Solea: Wir wollen Führungen und auch Audioguides anbieten. Gerade spielen wir mit der Idee, sogar zweierlei Audioguides anzubieten. Einen für den oder die Vanilla und einen für den erfahrenen BDSMler, dem oder der man nicht lange Basics erklärt, sondern mehr geschichtlichen Background und Spezialwissen liefern kann.

BDSM-Museum für alle

Es soll also ein Museum für beide Zielgruppen werden?

Solea: Jein. Um Vorurteile abzubauen, wollen wir die breite Öffentlichkeit erreichen. Und viele haben hier wenig Vorbildung.

Janus: Unser Anspruch ist nicht, gleich das weltbeste BDSM-Museum zu sein. Oder jeden erdenklichen Kink zu zeigen. Sondern, dass wir BDSM als etwas Normales zu vermitteln, die Geschichte dahinter zu zeigen, und schildern was Menschen dabei empfinden.

Solea: Viele Vanillas betreiben ja auch schon Kink ohne es zu wissen. Für manche ist das vielleicht ein Augenöffner. Vor allem was Einvernehmlichkeit angeht, können wir als BDSMler den Vanillas unsere intensive Auseinandersetzung damit zeigen.

Gibt es eine Altersbeschränkung für das BDSM-Museum?

Solea: Wir bieten Aufklärung und Bildung über das Thema und wollen, so möglich, für Jugendliche ab 16 einen gegebenenfalls eingeschränkten Zugang gewähren. Denn Sexualität fängt eben nicht erst ab 18 an, sondern meistens schon früher. Wir nehmen den Jugendschutz sehr ernst und wollen natürlich niemanden gefährden. Das steht an vorderster Stelle.

So kommt BDSM ans Tageslicht

Mit wem arbeitet ihr noch zusammen und woher bezieht ihr die Infos und Exponate?

Janus: Wir suchen den Kontakt zu Archiven, Institutionen und Sammlungen. Wir stellen gerade auch einen Kontakt zum Polizeimuseum Hamburg her, vielleicht findet sich da eine alte Sittenordnung der Stadt Hamburg (lacht).

Solea: Oder es sind Privatpersonen, die bei Oma und Opa auf dem Speicher Fotos finden.

Auch ehrenamtlich kann man das Museum unterstützen:
Black&White Hands by https://www.depravederos.com/.

In dem Fall kann man euch schreiben?

Janus: Genau. Wenn man seltene oder besondere Exponate uns zur Verfügung stellen möchte, zum Beispiel etwas sehr Altes, ein Erstwerk, oder ein Gegenstand bei dem sich eine Verbindung zu einer historischen Person nachweisen lässt, kann man uns gerne kontaktieren. Auch alte Zeitungen und Flyer für Parties können durchaus interessant sein für das Museum.

Wie kann man euch sonst noch unterstützen?

Solea: Mit bestimmten Fähigkeiten kann man uns helfen. Egal ob mit einer Stunde oder etwas länger, jeder ist willkommen. Es ist ein Projekt von der Szene für die Szene!

Janus: Indem das Projekt sichtbarer wird. Oder finanziell auf unserer Support und Spendenseite. Die Spenden gehen 1:1 in den Unterhalt und die Ausstellung.

Wann und wo dürfen wir das erste Mal ins BDSM-Museum gehen?

Solea: Wir sind gerade noch auf Location-Suche, aber wenn alles gut läuft kann es am 1. Oktober in Hamburg losgehen.


1Hanna Cullwick and Liz Stanley, The Diaries of Hannah Cullwick, Victorian Maidservant (New Brunswick, NJ: Rutgers University Press, 1984), 40.


Janus und Solea haben das BDSM-Museum ins Leben gerufen.
Quelle: privat

Christoph Steiner alias Curator Janus (links) 33, hat das Projekt im Sommer 2020 initiiert und kümmert sich vor allem um die Projektentwicklung.

Solea (rechts) 31, ist Co-Projektleiterin und Ansprechpartnerin für Fragen rund um das Museum und verantwortlich für den Social Media Auftritt

Angetrieben werden sie beide durch persönliche Erlebnisse rund um Diskriminierung und Vorurteile zu anderen Lebenskonzepten. Mehr über das Projekt erfahrt ihr hier: bdsm-museum.de

Oder auf Instagram b.d.s.m.museum sowie b.d.s.m.museum.international und Twitter BdsmMuseum.