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Ethical BDSM – The Good Side Of The Bad Side

Peitschen und Schläge können weh tun, jedoch nicht so sehr wie Ignoranz und mangelndes Vertrauen. Darum plädieren wir und Autor Hansa Bosbach für “Ethical BDSM”.

Dieser Text erschien zuerst im Magazin “Sex & Society” von Berlinable, dem Verlag für erotische E-Books, und wurde Deviance freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Der Originaltext erschien auf Englisch, bei der Übersetzung wurde so gut wie möglich auf genderneutrale Sprache geachtet. Wo dies nicht optimal gelungen ist, bitten wir schon jetzt um Entschuldigung.


Ethical BDSM

Es erstaunt mich, wie viele Leute denken, dass man alle ethischen Grundsätze aufgegeben muss, nur wenn man auf BDSM oder Kink steht.

Leider wird dieses Klischee von Leuten in der Community aufrecht erhalten, die nicht verstehen, worum es wirklich geht. Also lasst uns die Dinge endlich richtig stellen und den Mythen und Wahrheiten von BDSM auf den Grund gehen!

BDSM beginnt beim Consent

Fangen wir mit einem großen Thema an: Consent.

Vertrauen in einer BDSM-Beziehung ist unglaublich wichtig und hängt sehr mit der Einvernehmlichkeit zusammen. Aber wann muss eigentlich diese Zustimmung erteilt werden? Ist es etwas, das nur einmal erteilt, oder von Zeit zu Zeit erneuert werden muss? Was ist mit der Einwilligung, das Recht auf Einvernehmlichkeit aufzugeben (CNC)?

Menschen stimmen manchmal Verhalten zu, das ihnen eigentlich schadet, nur um einem anderen zu gefallen. Dies zuzulassen, ist ein Vertrauensbruch.

Als Dom ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass du wissen musst, was für deine:n Sub schädlich sein könnte. Selbst, wenn jemand dir sagt, dass sie oder er mit einer Aktion einverstanden ist, liegt es in deiner Verantwortung als ethische Dom:s, der Person nicht zu schaden.


Consent ist kein Freifahrtschein, zu tun, was du willst.


Ein:e gute:r Dom ist immer um das körperliche und geistige Wohlbefinden der Partnerperson besorgt. Selbstzerstörerische Impulse zuzulassen, ist weder ethisch noch gesund. Ein:e Dom arbeitet daran, diese Impulse zu reduzieren und das Vergnügen durch gesunde Entscheidungen zu maximieren.

Kenne den Unterschied zwischen Schmerz und Schaden

Do no harm: Richte keinen Schaden an. BDSM bedeutet Vergnügen und beinhaltet oft Formen von Schmerz oder das Überschreiten der eigenen Komfortzonen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen “Schmerz” und “Schaden”. Schmerz ist vorübergehend. Spuren auf der Haut, Muskelkater, Schamgefühle.

Schaden hingegen ist etwas dauerhaftes. Permanente oder langfristige körperliche Schäden, Posttraumatische Belastungsstörungen, vermindertes Selbstwertgefühl, Verzweiflung und Depression um nur einige zu nennen.

“Do no harm” ist ein Eckpfeiler des ethischen BDSM macht, denn dieses Prinzip schreibt den Menschen nicht vor, was genießen sollten oder nicht. Denn Menschen sind verschieden und haben unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse.

Schäden jedoch mindern die Fähigkeit, glücklich sein und das Leben zu genießen. Das “do no harm”-Prinzip verhindert, dass die Dinge “zu weit gehen” und erlaubt uns, mit gutem Gewissen zu spielen.

Bedeutet das, dass Dinge wie Erniedrigung, Objektifizierung oder Entmenschlichung keinen Platz im ethischen BDSM haben? Nein, nicht wirklich. Wenn es ein vorübergehender, reversibler Effekt ist, kann es die unterwürfige Person sogar stärken. Was jedoch falsch ist, ist eine Person dauerhaft zu unterdrücken.

Kommunikation ist der Schlüssel

Sei immer ehrlich. Denn Unehrlichkeit untergräbt sowohl Consent als auch Vertrauen. Als Menschen neigen wir leider dazu, auch uns selbst zu täuschen. Doch im BDSM ist es unglaublich wichtig, auch zu sich selbst ehrlich zu sein.

Wir alle neigen zur Selbsttäuschung. Doch ehrlich zu sich selbst zu sein, ist im BDSM unglaublich wichtig. Ehrlich, was deine wirklichen Wünsche, Bedürfnisse, Grenzen angeht. Werden diese notwendigen Informationen vorenthalten, führt das zu unbefriedigendem Spiel.

Vermeide auch ungewollten Schmerz. Der Sinn beim Zufügen von Schmerz oder Unbehagen im BDSM ist, dass dies mit Absicht und in bedeutsamer Weise geschieht. Das schafft eine Verbindung zwischen Dom und Sub, die auf einer bewussten Entscheidung, nicht auf Zufall beruht.

Das Verursachen von Schmerzen ohne Bedeutung suggeriert Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit. Und das ist keine  gesunde Einstellung, denn bei ethischem Sadismus geht es nie um ungewolltes Leid. Aber auch Subs müssen sich bewusst sein, dass ihre Handlungen oder Worte ihrer Partnerperson unbeabsichtigt emotionale Schmerzen zufügen können.

Ethischer BDSM: Grenzen kommen zuerst

Respektiere Grenzen. Grenzen sind Aktionen, die du entweder aufgrund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht tun möchtest, weil du sie für falsch hältst.

Mit Zeit und etwas Mühe ist es zwar möglich, diese Grenzen zu erweitern. Oft jedoch ist es gesünder, sie einfach zu respektieren und sie dort zu lassen, wo sie sind.

Es gibt Subs, die wollen, dass der oder die Dom die totale Kontrolle über die Grenzen hat. Was aber nicht heißt, dass sie keine Grenzen haben. Nur, dass es an der oder dem Dom ist, die Grenzen des oder der Sub zu kennen und zu respektieren. Gemeint ist damit die einvernehmliche Verlagerung der Verantwortung über Festlegung und Einhaltung dieser Grenzen auf nur eine Person in der Dynamik.

Das ist das Prinzip des ethischen BDSM. Es gibt Momente, in denen Sub davon spricht, “keine Grenzen” mit dem oder der Dom zu haben (Einvernehmliche Nicht-Einwilligung, CNC). Für einige Menschen ist das verwirrend. Es handelt sich dabei um eine erweiterte Zustimmung, alle Proteste und Grenzen zu ignorieren. Dies jedoch kann sehr gefährlich sein und erfordert ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten.

In seltenen Fällen sagen aber auch Menschen, dass sie “keine Grenzen” haben, weil es ihnen egal ist, ob sie Schaden erleiden. Ein:e ethische:r Dom jedoch sollte es ablehnen, mit solch selbstzerstörerischen Menschen zu interagieren.

Manage die Risiken

Risiko-Verantwortung: Bei jeder körperlich und geistig anspruchsvollen Tätigkeit gibt es auch Risiken. Diese zu kennen und selbst die Verantwortung dafür zu tragen, welche Risiken du eingehst, ist enorm wichtig.


Lerne, sei achtsam und triff gut informierte Entscheidungen.


Unnötige Risiken einzugehen, mag manche Menschen erregen. Doch der Preis dafür ist oft höher, als du und dein:e Partner:in zu zahlen bereit seid.

Dränge nicht

Wenn jemand noch nicht bereit für etwas ist, ist es unethisch die Person unter Druck zu setzen. Auch wenn es sich um etwas handelt, das beide wollen, gilt es, die Dinge langsam anzugehen, wenn ein Part noch nicht bereit ist. Vergewissere dich bei jedem weiteren Schritt, dass sich beide wohlfühlen, bevor du weitermachst.

Hör auf dein Bauchgefühle

Und zwar auf alle. Nicht nur auf den Teil, der sagt “Ich will das”, sondern auch auf den Teil, der sagt: “Hier stimmt etwas nicht”. Kommuniziere sofort, wenn sich etwas nicht richtig anfühlt. Wenn dich jemand zu etwas drängt, womit du dich nicht wohlfühlst, ist es immer in Ordnung, ihm oder ihr zu sagen, dass du nicht interessiert bist.

Wissen, wann die Spielzeit vorbei ist

Job und Familie.

Spiele niemals – ich wiederhole: niemals – mit dem Job oder der Familie von jemandem!


Wenn dich jemand nicht ausdrücklich in diesen Teil seines oder ihres Lebens einlädt, ist er Tabu. Ein:e ethische:r Dom tut nichts, was dem Job oder den familiären Beziehungen des oder der Sub schaden könnte. Alles, was ohne Zustimmung ein Outing vor Freund:innen oder Familie sein könnte, sollte vermieden werden.


Und alles, was den Lebensunterhalt bedroht, ist sowieso völlig unethisch!


Wenn Sub den Job aufgeben oder sich Freund:innen und/oder der Familie gegenüber öffnen will, ist das natürlich etwas anderes. Aber es darf niemals erzwungen werden. Auf der anderen Seite muss Sub den persönlichen Raum des oder der Dom ebenso respektieren. Eine Telefonnummer anzurufen, für die man keine Erlaubnis erhalten hat, oder ohne Erlaubnis mit Familie oder Freund:innen zu sprechen, ist nicht in Ordnung.

Hör auf dich selbst!

Keine Reue riskieren

Du solltest nie das Gefühl haben, etwas später bereuen zu können, sobald eine BDSM-Dynamik ins Spiel kommt. Es ist okay, unsicher zu sein, denn das bedeutet, dass du die Dinge langsam angehen solltest. Aber wenn du das Gefühl hast, du könntest es bereuen, dann tu es nicht. Schließlich geht es darum, eine angenehme und intime Verbindung zu schaffen. Aber du solltest nie etwas bereuen, bei dem du dich eigentlich gut fühlst. Dies kann eine Lernerfahrung sein, eine persönliche Willensbestätigung, Vergnügen für dich und deinen Partner oder etwas anderes positives.

Beende, was du begonnen hast

Solange dein:e Partner:in dir keinen Schaden zugefügt hat, geh nicht einfach, wenn du aus irgendeinem Grund mit etwas nicht weitermachen kannst. Den das Band, das sich zwischen Menschen in einer BDSM-Dynamik bildet, ist einzigartig und sollte respektiert werden. Einen ordentlichen Schlussstrich zu ziehen, ist genauso wichtig wie jeder andere Aspekt einer ethischen BDSM-Beziehung. Nur weil Kink im Spiel ist, darf eine Dynamik nicht leichtfertig oder ohne Rücksicht auf alle Beteiligten eingegangen und wieder verlassen werden.

Wenn die psychische Gesundheit dem ethischen BDSM im Weg steht

Missbrauche BDSM nicht als Therapie

Wenn jemand mit psychischen Problemen zu kämpfen hat, ist es nicht ethisch, dieser Person zu erlauben, BDSM als Ausrede oder Stütze zu missbrauchen und ihn oder sie so davon abzuhalten, die Hilfe zu bekommen, die eigentlich nötig ist.

Andersrum ist es nicht in Ordnung, eine:n Dom auszutricksen oder in eine Falle zu locken, um eine:n “Ersatz-Therapeut:in” zu haben. Denn er oder sie kann dir nicht die Betreuung bieten, die du oder dein:e Partner:in brauchen.

Es ist eine Sache, bei psychischen Probleme Hilfe in einer BDSM-Dynamik zu erhalten oder erhalten zu haben. Es ist jedoch eine andere Sache, diese als Deckmantel dafür zu benutzen.

Respektiere die Neigungen anderer

Nur weil etwas nicht dein Ding ist, heißt das nicht, dass du eine Person nicht mögen darfst. Zolle ihr den Respekt, den sie verdient, genauso, wie du es außerhalb von BDSM auch tun würdest.

Das soll nicht heißen, dass du jedem Arschloch Respekt entgegenbringen musst. Wenn jemand ein Arschloch ist, heißt das nicht, dass man ihn oder sie respektieren muss, nur weil er oder sie einen Kink hat. Solche Leute verstecken sich oft hinter ihrem Kink und schreien “Kink Shaming“, wenn sie negatives Feedback bekommen. Verurteile Menschen nicht aufgrund ihres Kinks, aber wenn ihr ungebührendes Verhalten nichts mit BDSM zu tun hat, zögere nicht, ihnen zu sagen, wo sie es sich hinstecken können.

Unterwerfung schätzen

Deine Partner:innen sind nicht selbstverständlich

Mit der Zeit verfällt man auch in einer BDSM-Dynamik leicht der Routine oder macht es bequem. Und das ist in Ordnung. Dennoch sollten deine Partner:innen immer wissen, wie sehr du die Beziehung und die Person wertschätzt und wie besonders du dich durch die dir gewährte Unterwerfung oder Dominanz fühlst.

Sei gut. Nicht nur manchmal. Strebe danach, für deine Partner:innen jederzeit die beste Version deiner Selbst zu sein!

Welche Rolle du auch immer bevorzugst, welche Technik du auch immer anwendest: lerne so viel wie möglich und gib dabei dein Bestes. Auch wenn du schon Spaß hast, werden du und deine Partner:innnen noch mehr Spaß haben, wenn du mit dem ganzem Herzen dabei bist, anstatt nur Bewegungsabläufe abzuspulen.

Denn wenn du keine Arbeit in die Vorbereitung steckst, kannst du auch nicht die höchste Belohnung erwarten. Eine gute Session kann spontan sein. Richtig gut wird sie aber erst mit einer soliden Grundlage aus Vertrauen und Können. Übung macht dich nicht perfekt, dennoch wird sie dir eine großartige Zeit bescheren.


Wir danken Berlinable und Hansa Bosbach für das Verfassen und die Bereitstellung dieses Textes.

Willst du jetzt lesen, wie du all dies in die Praxis umsetzen kannst? Sehr gut, denn “Ethical BDSM” kann wahrhaft sexy und befreiend sein. Beispiel gefällig? Wie wäre es mit “The Chair” von Hansa Bosbach.

Artcover by EEKROTICA for Hansa Bosbach’s “The Chair”

Neugierig auf weitere Werke des Autors? Dann geht’s hier zum Autorenprofil und den Büchern von Hansa Bosbach.

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