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LARP – Rollenspiele mit oder ohne BDSM-Kontext

Content-/Triggerwarnung: Rapeplay, Entführung ab der dritten Teilüberschrift. Begriff: Sklav:in.

Was bedeutet LARP?

LARP ist die Abkürzung für “Live Action Role Playing”, zu Deutsch also “Live-Rollenspiel“. Hierbei handelt es sich um eine Art Improvisationstheater, das sich am Aufbau von sogenannten “Pen-and-Paper-Rollenspielen” orientiert. Ziel ist es, selbst in die Rolle von Held:innen beziehungsweise Schurken beliebigen Geschlechts, Ethnie oder Kultur zu schlüpfen. Mit diesem Charakter wird in einer vorbereiteten Spielgeschichte ein Abenteuer erlebt. Der besondere Reiz an diesem Spiel ist das eigene Erstellen eines Charakters, seiner Hintergründe und Geschichte und der Ausbau ebenjener über die Spielzeit. Das Zusammenkommen von Spielern nennt sich “Convention” und kann zwischen 20 und 10.000 Teilnehmern haben. Die Szenarien der Liverollenspiele kommen aus den unterschiedlichsten Genres.
Beliebt sind beispielsweise Fantasy,  HorrorEndzeit/PostapokalypseVampireWesternScience FictionCyberpunk oder Steampunk. Viele LARP-Anhänger:innen sind oder waren auch Cosplayer:innen.

Andere Formen von LARP

Mittelaltermärkte bieten Anhänger:innen von Liverollenspielen häufig Inspiration, weswegen auf solchen Events auch häufiger LARPer:innen anzutreffen sind. Das liegt daran, das die meisten auf Fantasy basierenden Spiele in einer mehr oder weniger mittelalterlich geprägten Welt spielen. Streng genommen könnte man auch historische Schaukämpfe als LARP betrachten. Seit 2004 wird versucht, die Wiederbelebung historisch relevanter Ereignisse under dem Begriff des “Reenlarpments” nachzuspielen, um eine lehrreiche Komponente einzubringen. Beim Cosplay handelt es sich um die Darstellung einer spezifischen vorgegebenen Person. Oft geschieht das auf Events, den schon erwähnten Conventions. Hierbei sind Charakter und Aussehen vorgegeben.

Auch Krimispiele wie Dinner mit Krimischauspiel oder entsprechende Parties bedienen sich ähnlicher Elemente wie das Liverollenspiel. Fantasy-Indoor-Welten, wie die berühmte Kette “Dungeon” oder auch Escape-Rooms fallen ebenso im weitesten Sinne unter LARP. Ein “LARG” ist ein ein (Live-) Alternate Reality Game, bei der die Grenze zwischen Realität und Spiel nicht so deutlich zu sehen ist, wie in einer konstruierten Welt mit Elfen, Zwergen und Zauberern. LARGs spielen meist im Krimi- oder Spionage-Genre. Hierzu kann man auch Paintball, Airsoft oder andere Spiele mit Kampf- und Konfliktszenarien rechnen.

Was hat LARP mit BDSM zu tun?

Im BDSM-Kontext finden wir häufig Rollenspiele, die man auch als LARP definieren kann. Hierzu zählen zum Beispiel Events, die über einen längeren Zeitraum in einer Location gespielt werden. Mögliche Beispiele sind Nachstellungen von Gefängnis oder Irrenanstalt-Szenarien, Klassenfahrt einer Schule mit strenger Erziehung durch Lehrer:innen, ein historisches Szenario mit Dienstbot:innen und Herrschaften und so weiter. Auch Petplay kann als LARP betrachtet werden. Es gibt ganze Eventreihen, bei denen jede:r Teilnehmer:in eine spezifische Rolle und Funktionen zugewiesen bekommt, die über den Zeitraum des Events ausgespielt werden muss.

Doch auch sensible Fantasien wie Rapeplay, Entführungsszenarien, Folterspiele oder Verhörpraktiken in einem Kerker sowie sogenannte Sub- oder Fuchs-Jagden und “O-Parties” können in diesem Kontext verstanden werden. Gehört jemand sowohl der BDSM- als auch der LARP-Szene an, ist die Wahrscheinlichkeit groß, eine:n sehr große:n Anhänger:in erotischer Rollenspiele gefunden zu haben. Gerade bei Mittelalterszenarien kann man mehr als genug Inspiration für Foltermethoden im Rahmen von Edgeplay finden. In der Vampircommunity, mit einer Vorliebe für Beißen und Blut tummeln sich mutmaßlich auch einige BDSM-Anhänger.

Was ist das Reizvolle an BDSM-LARP?

Beim Rollenspiel gelingt uns das völlige Abtauchen in eine Schein-Realität. Wir können Dinge sehr realitätsnah erleben, bis hin zur entsprechenden körperlichen Reaktion. Adrenalin und Endorphine, Noradrenalin, das Corticotropin-releasing-Hormon und Adrenocorticotropin, Kortisol sowie andere Botenstoffe werden dabei ausgeschüttet. In solchen Szenarien können wir unsere Fantasien ganz frei ausleben, solange alle Beteiligten einverstanden sind. Möglich wird das, indem die Kontrolle vollkommen an den oder die Top abgegeben wird. Gerade, wenn auch noch relativ unbekannte Personen ebenfalls eine Rolle in dem Spiel erhalten, geht das Szenario mit einer aufregenden Ungewissheit einher. Eben weil die Szenarien zum Teil sehr authentisch sind, muss man besonders viel beachten, damit das Spiel nicht zum traumatischen Erlebnis wird.

Was muss ich dabei beachten?

Kommunikation ist der Schlüssel: Obwohl die Fantasie von der Vorstellung lebt, es gäbe keine Grenzen und Absprachen, sind ebensolche in der Realität unerlässlich. Es muss sehr viel im Vorfeld besprochen und kommuniziert werden. Ohne genaue Aufklärung, was passieren kann und soll ist keine Einvernehmlichkeit möglich. Wünsche, Möglichkeiten und Grenzen müssen detailliert besprochen werden. Denn auch ein Magie-System hebt die Einwillgungsprinzipen SSC oder RACK nicht auf.

Bei großen Gruppenveranstaltungen wird oft mit Armbändern in verschiedenen Farben gearbeitet, um grundsätzliche Grenzen bereits optisch darzustellen. Auf O-Parties heißt dann, je nach Veranstalter, ein rotes Armband beispielsweise, dass Sub nur nach Rücksprache mit dem oder der Besitzer:in bespielt werden darf. Schwarz könnte bedeuten, dass diese Person überhaupt nicht angefasst werden darf oder grün, dass die devote Person jedem zu Dienen hat und so weiter.

Eben weil die Spielart schnell durch Improvisation grenzüberschreitend werden kann, haben Veranstalter und oben spielende Personen eine sehr große Verantwortung. Die individuellen Wünsche und Grenzen müssen trotzdem gewahrt werden, es muss ein Safeword vereinbart werden, um einen Abbruch zu ermöglichen. Eine sichere Ausstiegsmöglichkeit ist unabdinglich. Bei manchen Events gibt es hierfür bestimmte Bereiche, in denen nicht gespielt werden darf. Hierhin kann man sich zurück ziehen, wenn man Abstand von der Rolle benötigt, aber nicht gänzlich aufhören möchte.

BDSM-Fantasy-Lektüre: Der Gor-Zyklus

Zu besonderer Bekanntheit hat es LARP in BDSM-Kreisen durch die Bücherreihe um den Gor-Zyklus von John Norman geschafft, einem Epos, das sich auf der Gegenerde Gor abspielt und sich überwiegend Fantasy– und Science-FictionSzenarien bedient, um die individuelle Sicht des Autors auf D/s darzustellen.

Diese besteht ausschließlich aus männlicher Dominanz und weiblicher Unterwerfung. Das Besondere an Gor ist, dass es hier Sklav:innen gibt, welche von der barbarischen Erde entführt und “Kajira” (weiblich) beziehungsweise “Kajirus” (männlich) genannt werden. Sie legen einen Teil ihrer Identität ab, müssen ihren Herren dienen und in vielen Ritualen ihre Zugehörigkeit erklären, zum Beispiel durch spezifische Posen, die sie ausführen müssen. Gor ist auch als Pen-and-Paper-Spiel oder eben LARP beliebt. Da es aber die Grenzen zum BDSM überschreitet, finden sich in der Szene immer wieder Dynamiken, die sich an dem Rollenspiel orientieren, weshalb insbesondere die Sklaven-Posen in der BDSM-Szene sehr beliebt sind. Ein Beispiel hört ihr bei die Kunst der Unvernunft.

Wo finde ich mehr Informationen dazu?

Ich kann euch die Podcastfolge #23 vom Podcast “Die Kunst der Unvernunft” hierzu wärmstens empfehlen. Da hat Sebastian Stix mit Organisator:innen solcher Rollenspiele aus dem Verein um das K.u.K. gesprochen, welche sowohl Grafschaftsevents, Gefängnisswochenden als auch eine Kliniknächte veranstalten. Deutschlandweit gibt es auch immer wieder spezifische Veranstaltungen mit diversen Themen von Kindergeburtstagen für Ageplayer, über golden Partys für Natursektliebhaber:innen oder auch Fantasy-Veranstaltungen.

Ein Artikel außerhalb des BDSM-Kontextes aber mit Bezug zu Sexualität in Rollenspielkreisen, findet ihr hier.