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Masochismus: Das M in BDSM

Was bedeutet Masochismus?

Das M in BDSM steht für Masochismus und beschreibt das Phänomen, dass manche Menschen sexuelle Lust gewinnen, wenn ihnen Schmerz oder eine Art von Leiden hinzugefügt werden. Das kann sich sowohl auf den physischen wie psychischen Bereich beziehen, meist beschreiben Masochismus und die damit verwandten Begriffe jedoch die körperliche Ebene.

Im Gegensatz zu den meisten medizinischen Begriffen ist Masochismus weder griechischen noch lateinischen Ursprungs, sondern entstand angelehnt an den Nachnamen des Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895), der unter anderem die Novelle Venus im Pelz veröffentlichte. Ein literarisches Werk, welches das devote Bild eines Mannes gegenüber einer Frau aufgreift und später des Öfteren verfilmt wurde. Bekannt wurde Sacher-Masoch vor allem durch seine Fantasie und Kunst, triebhaftes Schmerz- und Unterwerfungsverlangen ästhetisch zu formulieren.

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Eng verwandt ist der Begriff Sadismus, benannt nach dem Marquis de Sade. Dieser Begriff beschreibt das Gegenteil, also die sexuelle Lust, anderen Menschen Schmerz hinzuzufügen. Da Sadismus und Masochismus im BDSM-Bereich eng miteinander verknüpft sind, prägte sich der Begriff des “Sadomasochismus”. Unter diesem werden im allgemeinen Sprachgebrauch alle Sexualpraktiken zusammengefasst, die von der gesellschaftlich akzeptierten Norm abweichen und mit der Kombination aus Lustgewinn und Schmerz verbunden sind.

Lange wurden sadomasochistische Vorlieben, auch wenn sie einvernehmlich stattfanden, als psychische Störungen klassifiziert. 2013 änderte sich dies jedoch mit der Herausgabe der fünften Auflage des “Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders”. In dieser neuen überarbeiteten Fassung des weltweit führenden Leitfaden für psychatrische Diagnostik wurde Sadomasochisms als Paraphilie entfernt.


“Es werden sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln bevorzugt. Wenn die betroffene Person diese Art der Stimulation erleidet, handelt es sich um Masochismus; wenn sie diese jemand anderem zufügt, um Sadismus. Oft empfindet die betroffene Person sowohl bei masochistischen als auch sadistischen Aktivitäten sexuelle Erregung.”

Definition der WHO

Was ist der Reiz an Masochismus?

Da sich Schmerz und sexuelles Vergnügen für die meisten Menschen ausschließen, ist Masochismus für viele nicht nachvollziehbar. Doch bei Schmerz wie bei Lust handelt es sich um eine komplexe subjektive Sinneswahrnehmung.

Denn Schmerz ist in erster Linie ein Signal an das Gehirn, dass dem Körper geschadet wird. Gereizte Nerven, die Elektroimpulse aussenden. Die Wahrnehmung dieses Signals kann für manche jedoch sehr stimulierend sein. Rudimentär betrachtet ist auch sexuelle Lust eine Reaktion unserer Nerven auf Stimulation. Für manche Menschen liegen diese Empfindungen sehr nah beieinander.

Auch wenn Masochismus das Phänomen Lustgewinn aus Schmerz beschreibt, muss dieser Akt in der Regel mit Intention und Vorsatz ausgeführt werden, damit er erregend wirkt. Es gibt zwar durchaus Masochist:innen, die auch nicht in einer BDSM-Session verursachten Schmerz, wie etwa kräftige Massagen, ärztliche Untersuchungen oder drückende Kleidung, erotisieren können, die meisten jedoch empfinden aber zum Beispiel aufgrund eines gestoßenen Zehs keine Lust.

Warum wird jemand masochistisch?

Warum und wie genau Masochismus entsteht ist bis heute nicht abschließend geklärt. Die gängigen Theorien stimmen außerdem nicht unbedingt mit der Wahrnehmung aus der Szene überein. Grundsätzlich wird aber zwischen psychischen und physischen Ursachen unterschieden.

Bei den psychologischen Ursachen wird gerne das Bild eines unharmonischen Familienleben bemüht, welches zu Wutanfällen, Überforderung und unterdrückten Gefühlen in der Kindheit führte. Manchmal werden auch Kindheitsspiele, in der sich bewusst in eine Opferrolle begeben wurde, als Auslöser für masochistische Vorlieben angeführt.

Als physische Ursache geht aus einigen Experimenten hervor, dass das Signal des Schmerzes bei Masochist:innen neurologisch anders besetzt sei und beispielsweise direkt mit der Ausschüttung von Endorphinen, auch Glückshormone genannt, verknüpft ist. Das ist insofern wichtig, als dass viele Masochist:innen glauben, mit ihnen stimme psychisch etwas nicht und sie sich für ihre Neigungen verurteilen. Dabei ist es nur eine Frage der Neurochemie.

Worauf gilt es beim Masochismus zu achten?

Nicht jede:r Masochist:in ist gleich und nicht jede:r mag dieselben Arten von Schmerz. Manche werden von Schmerzen jeder Art erregt, während andere nur aus einer bestimmten Art etwas positives ziehen können. Während Masochismus meist den körperlichen Schmerz beschreibt, definieren manche sich nur als psychische Masochisten, die mental geknechtet und gedemütigt werden wollen.

Bevor sich an sadomasochistische Spiele herangetraut wird, ist es wie auch bei allen anderen Arten von BDSM enorm wichtig, sich mit den Gefahren und Grenzen genauestens auseinanderzusetzen. Sowohl mit den eigenen, als auch mit den Grenzen der anderen Person. Safeword, Ampelsystem oder eine Skala können helfen, um die ausführende Person an die gewünschten Härtegrade heranzuführen. Hierbei sollte der unterwürfige Part zeigen, welcher Schmerz erregend oder als grenzwertig empfunden wird. Beide Spielpartner:innen sollten gut informiert sein, Sicherheitsmaßnahmen treffen und sich ausführlich mit Aftercare beschäftigen.

Bei fortgeschrittenen Masochist:innen besteht Gefahr, dass Spielarten immer weiter gesteigert, immer intensiver werden müssen oder Praktiken unüberlegt und unvorsichtig ausgeführt werden. Insbesondere bei Praktiken wie Impact und Breathplay oder beim Einsatz von Nadeln besteht bei unsachgemäßer Ausführung eine Verletzungsgefahr, die das Leben kosten kann.

Auch das Thema Selbstverletzung beziehungsweise selbstverletzendes Verhalten (SVV) wird in Verbindung mit masochistischen Neigungen immer wieder angeführt. Da Akte der Selbstverletzung oder Selbstbestrafung während der Masturbation durchaus Teil der eigenen Sexualitätserkundung sein können, besteht hier nicht unbedingt ein problematischer Zusammenhang. Doch wie auch bei masochistischen Handlungen mit einer Partnerperson, besteht dann Gefahr, wenn diese abhängig machen und ins Unermessliche gesteigert werden müssen, um überhaupt noch Lust zu empfinden oder zum Orgasmus zu kommen.

Welche Arten gibt es?

Schon im Jahre 1886 verwendete der deutsch-österreichische Psychiater und Rechtsmediziner Richard von Krafft-Ebing den auf Sacher-Masoch zurückgehenden Begriff Masochismus wissenschaftlich. Er sprach dabei von der sexuelle Lust am Leiden, am Erleben von Schmerzen und dem Ertragen von Demütigung und Erniedrigung. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Begriff in der Philosophie und Psychologie immer wieder neu definiert und weiterentwickelt. Allerdings fehlt eine etablierte zeitgemäße Definition. Die bekanntesten stammen von Ernst Bornemann und Sigmund Freud.

Masochismus nach Sigmund Freud

Letzterer unterschied drei Kategorien des Masochismus. Zum einen den erogenen Masochismus, der laut Freud in denn Entwicklungsphasen der Libido in der Kindheit entsteht. Es handelt sich dabei um einen sehr körperbetonten Masochismus, bei dem die sexuelle Lust proportional zum Schmerz ansteigt.

Als zweites führt der Begründer der Psychoanalyse den femininen Masochismus an, welcher die erotische Neigung zu Strafe, Unterwürfigkeit und dem Erdulden beschreibt. Menschen mit dieser Neigung begeben sich in eine infantile Situation, möchten sich schuldig fühlen, wollen bestraft und erwischt werden. Begründet wird der feminine Masochismus nach Freud im Verhältnis zwischen Kind und Mutter.

Der moralische Masochismus nach Freud ist eine Art Sadismus gegen sich selbst, begründet in einem Spannungsverhältnis von Ich und Über-Ich und Folge einer kulturellen Triebunterdrückung. Indem bestimmte kulturell unerwünschte Aggressionen unterdrückt werden, richten sich diese irgendwann gegen die eigene Person.

Masochismus nach Ernst Bornemann

Weitere, modernere Definitionen stammen aus den 60er und 70er Jahren von dem Sexualforscher Ernst Bornemann. Auch dieser unterscheidet in drei Kategorien und schließt nicht-sexuellen Masochismus ein.

Beim nicht-sexuellen oder psychischem Masochismus zieht eine Person emotionale Befriedigung aus Demütigungen und Niederlagen im gesellschaftlichen Leben oder im Alltag und führt Misserfolge in Beruf und Privatleben absichtlich herbei.

Demgegenüber gewinnt ein Mensch im sexuellen oder Konjunktions-Masochismus Lust aus der Unterdrückung durch seine:n Sexualpartner:in. Dabei kann es durchaus auch zu Selbstverletzungen während des Geschlechtsaktes kommen.

Im so genannten perversen oder Kompensations-Masochismus empfindet ein Mensch sexuelles Vergnügen allein durch physischen Schmerz und Demütigung. Hier ersetzt das Schmerzempfinden und die dadurch erhaltene sexuelle Befriedigung den sexuellen Akt.

Und was sagen BDSMler:innen dazu?

Innerhalb der BDSM Szene hat sich eine formlose Unterscheidung in drei Kategorien etabliert, welche sich mehr auf die Vorliebe der Art des Schmerzes und damit körperliche Masochismus beziehen.

Zum einen wird der stechende Schmerz angeführt, welcher sehr punktuell und intensiv auf eine Stelle konzentriert ist. Diese Art kann durch spezifische BDSM-Praktiken wie zum Beispiel Nadeln hervorgerufen werden.

Stumpfer Schmerz hingegen zeichnet sich meistens dadurch aus, dass eine größere Fläche oder eine größere Muskelgruppe betroffen ist. Er geht oft tiefer, knochentief wie manche sagen würden und hallt dumpf nach. Diese Art von Reiz erzeugt man zum Beispiel durch das Schlagen mit einem Paddle.

Die dritte Art von Schmerz ist der ziehende Schmerz, der im Vergleich zum dumpfen Schmerz durch einen kleineren Radius charakterisiert ist, jedoch nicht so punktuell wie der stechende Schmerz wirkt. Er löst ein intensiveres, brennendes, scharfes Gefühl aus. Um diesen Schmerz auszulösen, eignen sich zum Beispiel Rohrstöcke gut.