Links überspringen

Hoes up G’s down – Die Geschichte der Schlampe

Schlampe: Kleines Wort, lange Geschichte

Slut, Bitch oder zu deutsch “Schlampe”: Die vermeintliche Beleidigung ist ein Begriff mit erstaunlich langer Historie. Meist wird es als Schimpfwort verwendet für eine Frau, die viele Sexualpartner:innen hat oder hatte oder von der es angenommen wird. Im BDSM-Kontext wird das Wort gerne bei Dirty Talk verwendet oder als Selbstbezeichnung. Dann aber allerdings positiv besetzt und mit einem gewissen Stolz und Selbstbewusstsein.

Slut:
“A woman who has sexual relationships with a lot of men without any emotional involvement”.

Cambridge Dictionary

Diese Definition aus einem der anerkanntesten Wörterbücher der Welt ist schon relativ modern und sachlich. Dabei hatte das deutsche Wort Schlampe ursprünglich gar keine sexuelle Konnotation. Vielmehr bezog es sich auf die Haushaltsführung oder das Erscheinungsbild einer Frau. Es stammt aus der Wortfamilie des Begriffes “schlampen” (zugehörig die Schlamperei oder die Schlampigkeit) und beschrieb schnell und unordentlich oder nachlässig geleistete Arbeit.

Auch das etymologische Wörterbuch (Pfeifer) ordnet den Begriff für eine “unordentliche, ungepflegte Frau” im 17. Jahrhundert ein. Im 15. Jahrhundert war das Wort noch für schlechtsitzende Kleidung verwendet worden.

Im 19. Jahrundert benutzt man das Wort Schlampe erstmalig für ein aufreizendes, leicht zu entledigendes Nachthemd. Schließlich, zu Beginn der 1900er Jahre definiert sich Schlampe dann in Wörterbüchern als eine “nachlässige, indolente Weibsperson, sittlich und anrüchig”. In den 1990ern löst das Wort “Schlampe” den veralteten Begriff “Flittchen” ab. Es beschreibt einen lustorientierten Lebenswandel mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern. In den 2000er Jahren bürgern sich unter anderem auch durch Jugendsprache die englischen Varianten “bitch” oder “slut” ein.

Der Begriff Schlampe als Beleidigung

Unser moralisches Werteverständnis ist anerzogen und durch die Gesellschaft geprägt. Unter gleichaltrigen Mädchen in jungen Jahren gilt das Wort Schlampe oder Slut als starke Beleidigung. Denn es soll Mädchen abwerten, die nicht den sexuellen gesellschaftlichen Normvorstellungen entsprechen. Es soll implizieren man wäre “billig zu haben”, nicht besonders wählerisch und hätte aus diesen Gründen keine Würde. Häufiger Kritikpunkt ist, dass es sprachlich kein männliches Pendant gibt. Genau das stößt besonders bei Feminist:innen häufig auf. Schließlich gilt es als Zeichen einer patriarchalischen Gesellschaft, dass wechselnde Sexualpartner:innen bei Frauen und Männern unterschiedlich gewertet werden. Im Umgang zwischen Männern und Frauen wird der Begriff “Schlampe” häufig als Reaktion von Männern auf Ablehnung durch Frauen genutzt.

Entwicklung zum positiven Begriff

Dass die Entwicklung des Begriffs teilweise positiv verlaufen ist, haben wir besonders der LBGTQ+ Gemeinschaft zu verdanken. Um 1999 herum bezeichneten sich überwiegend homosexuelle Frauen in polygamen Beziehungsmodellen positiv als Schlampen. Sie gründeten die politische Plattform “Schlampagne“. Parallel passiert Ähnliches in der angloamerikanischen Polyamory-Subkultur mit dem Wort Slut.

Am 24.01.2011 spricht ein Polizist der Toronto Police zum Thema der präventiven Verbrechensbekämpfung über den Schutz vor Vergewaltigung an der York University in Toronto.

Es fällt die Aussage, dass “Frauen vermeiden sollten, sich wie Schlampen anzuziehen, um nicht zum Opfer zu werden” (“women should avoid dressing like sluts in order not to be victimized”), und zwar durch einen Polizisten selbst. Unter den Zuhörern habe Sprachlosigkeit geherrscht.

Aus der Kritik und dem Widerstand gegen diese Aussage entstehen weltweite Diskussionen über den Begriff “victim blaming“, zu Deutsch die Täter-Opfer-Umkehr, welche die Schuld für einen Übergriff beim Opfer selbst sucht. Ursprünglich war das victim blaming bekannt aus Vergewaltigungsprozessen in den 1970er Jahren. Hierbei versuchten Anwälte als Strategie der Verteidigung, dem Opfer die Schuld an der Tat zuzuschreiben, um den Täter zu entlasten.

Schlampen auf die Straße – die Slutwalks

Doch es passiert mehr als die Diskussionen um victim blaming: Die ersten organisierten Slutwalks beginnen. Erklärte Absicht der Initiator:innen der Slutwalks war die Wiederaneignung des Begriffs “Slut” im Sinne einer moralischen Aufwertung. Die Organisator:innen äußern sich dazu, die Veranstaltungen seien eine Aktion, “die sich um das Konzept ‘Schlampe’ dreht, es nutzt, damit spielt”. Die Slutwalks sollen der “Unantastbarkeit der sexuellen Integrität” von Frauen und dem Respekt vor dem Ausleben der eigenen Sexualität dienen.

Slutwalks fanden außer in Toronto unter anderen in Ottawa, Vancouver,  Miami, Seattle, Melbourne, Amsterdam, Stockholm, London,  Paris, Glasgow, São Paulo, Tegucigalpa und Matagalpa statt. Also rund um den Globus. Der erste deutsche Slutwalk erfolgte am 23. Juli 2011 im niederbayerischen Passau. Der erste deutschlandweite und städteübergreifende Slutwalk fand am 13. August 2011 gleichzeitig in Berlin, München, Frankfurt, Stuttgart und Hamburg statt.

Ziel war es, zu verdeutlichen, dass das Tragen von als freizügiger oder als aufreizend empfundener Kleidung nicht automatisch als Interesse an sexuellen Handlungen gewertet werden darf. Eigentlich selbstverständlich, doch in vielen Köpfen tatsächlich leider immer noch nicht angekommen. Wenn eine Frau sich freizügig kleidet, wird das nach wie vor als “aufreizend” gewertet, als “die will es doch so”. Denn sonst würde sie sich ja nicht so anziehen.

Diese Art “Freibrief” gibt es nicht und gab es nie. Das Bewusstsein dafür muss aber leider immer noch geschaffen werden. Nicht gerade hilfreich dabei sind die Medien, die Slutwalks immer wieder als einen Protest “für das Recht auf Sexiness” darstellen, während die Veranstalter:innen immer betonen, es gehe nicht um Kleidung sondern um Persönlichkeitsrechte. Im Vordergrund drehen sich die Slutwalks nämlich um das Recht auf (sexuelle) Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit sowie die Wahrung der persönlichen Grenzen.

Schlampen und Kunst

Rosenstolz  besang bereits 1992 das Schlampenfieber. 1997 singt Meredith Brooks das bis heute häufig gespielte Lied “Bitch”, welches noch mehrfach gecovert werden sollte. Unter anderen reinterpretiert Alanis Morisette den Titel nur wenige Jahre später.

Die HipHop-Queen Missy Elliot rappt 1999 “She’s a bitch” und meint sich damit selbst – im positivsten Sinne. Marina (and the Diamonds) vertonen die “Bubblegum-Bitch” 2012, die Sängerin P!nk singt in ihrem gleichnamigen Song “I’m a slut like you, I’m a slut like you” und 2020 erscheint “Boss Bitch” von Doja Cat mit der deutlichen Ansage “I’m a bitch and a boss, I’ma shine like gloss”.

Das Buch “The Ethical Slut: A Guide to Infinite Sexual Possibilities” von Dossie Easton und Catherine A. Liszt verwendet das Wort “Slut” um seinen moralisch brandmarkenden Sinngehalt umzukehren. Die Autorinnen verwenden es für Menschen jeglicher Geschlechtsidentität und setzen sich damit für ethisch vertretbare offene Beziehungsformen zwischen erwachsenen Personen ein. Künstler:innen haben also geholfen, das Wort Schlampe beziehungsweise Slut und Bitch in positiv besetzte Kontexte zu bringen.

Der Begriff Schlampe heute

Was verstehen wir heute unter dem Begriff einer Schlampe? Wir bei Deviance sehen eine Person, die ihre sexuelle Lust selbstbewusst und selbstbestimmt auslebt und sich dabei von den Normvorstellungen der Gesellschaft nicht mehr einengen lässt. Dabei spielt das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung derjenigen Person, die sich als “eine Schlampe” betitelt, keine Rolle mehr. Dann sind wir eben Schlampen, haben Sex, wie es uns gefällt, mit wem es uns gefällt und so oft es uns gefällt. So sollte das doch auch sein, solange Einvernehmlichkeit und Safer-Sex bedacht werden und niemand dabei zu Schaden kommt.

In diesem Sinne: Auf uns, Schlampen!

Eure Lynn

Du bist ein:e Slut und möchtest es zeigen? Wie wäre es mit einem Hoodie, T-Shirt, Pulli oder Cap? Im Deviance-Shop findest du eine große Auswahl an alltagstauglicher Kleidung mit dem Motiv “Slut”.

Gefällt dir, was du siehst? Im Deviance-Shop findest du eine große Auswahl an alltagstauglicher Kleidung, Accessoires und Dekoartikeln.