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Strafrecht und BDSM – Die Basics

Meine Freunde stehen auf S&M
Meine Freunde sind nicht gerade verklemmt
Sie bleiben tagelang Zuhaus’
Peitschen sich gegenseitig aus
Und sie zerschneiden sich mit Glas
Dürfen die das?
Ja, dürfen die das?
Ist das nicht irgendwie verboten
Ist das tatsächlich legal?
Es geht mich eigentlich nichts an, aber ich wüsste gerne mal:
Dürfen die das?

aus dem Song “Meine Freunde” von Die Ärzte, 1998

Gesellschaftlich gewinnen unsere Kinks mehr und mehr an Akzeptanz. Doch wie sieht es rechtlich aus? In diesem Artikel soll es um die deutsche Gesetzeslage zum Thema BDSM gehen. Dabei versuchen wir das komplizierte Amtsdeutsch für euch so gut wie möglich zu übersetzen und praktisch anwendbar zu machen.

Beim BDSM geschieht Körperverletzung mit Einwilligung

Jemand anderen zu verletzen ist strafbar. Der §228 des Strafgesetzbuch (StGB) erlaubt jedoch die Körperverletzung unter Einwilligung der verletzten Person:

Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.

§228 StGB

Gleichzeitig ist es aber trotz Einwilligung nicht erlaubt jemandem weh zu tun, wenn man dabei gegen die sogenannten “guten Sitten” verstößt. Aber was sind denn gute Sitten? Damit ist der positive moralische Wert der Sitte gemeint. Oder auch: Das Anstandsgefühl aller moralisch und gerecht denkenden Erwachsenen einer Gesellschaft. Einfacher ausgedrückt: Das, was unsere Gesellschaft als moralisch vertretbar ansieht.

Gerade wenn es um BDSM-Praktiken geht ist es jedoch sehr subjektiv, was moralisch vertretbar ist und was nicht. Da haben viele Menschen unterschiedliche Meinungen. Deswegen hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. Mai 2004) entschieden: Nimmt man eine einvernehmliche Körperverletzung vor, ist das im Regelfall nur sittenwidrig, wenn dadurch Todesgefahr besteht. Und das schließt schon mal sehr viele, wenn nicht alle unserer Kinks aus.

Wann geht das Gesetz von einer Einwilligung aus?

Nach deutschem Recht sind alle unsere Rechte und Freiheiten dispositiv. Das bedeutet, wir dürfen auf sie verzichten, wenn wir das wollen.

Im § 177 Abs. 1 StGB geht es konkret um sexuelle Übergriffe. Hier heißt es:

Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt (…) wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 177 Abs. 1 StGB

Wichtig ist hier der Begriff “gegen den erkennbaren Willen”. Im Umkehrschluss bedeutet es also: Handelt man einvernehmlich, im erkennbaren Willen der anderen Person ist alles in Ordnung. Das ist natürlich nichts Neues und Grundvoraussetzung für jeden sexuellen Kontakt.

In Absatz 2 Nr. 2 desselben Paragrafen heißt es weiter “es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert“. Der oder die Ausübende muss also aktiv sicherstellen, dass Einvernehmlichkeit besteht.

Vor dem Gesetz ist außerdem wichtig, dass die Person, die einwilligt mündig und bei vollem Bewusstsein ist. Wie es so schön heißt “im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten”. Die Zustimmung zur Körperverletzung muss freiwillig passieren. Das bedeutet auch, dass auf die Person kein Druck ausgeübt werden darf. Sobald mit Sanktionen oder Konsequenzen gedroht wird, ist eine Einwilligung nicht mehr freiwillig.

Eine Einwilligung zu BDSM-Praktiken muss immer widerrufbar sein

Strafrechtlich ist es wichtig, dass die Einwilligung zu Körperverletzungen zu jedem Zeitpunkt widerrufbar ist. Im BDSM geschieht das ganz klar durch ein Safeword oder – falls geknebelt wird – durch ein vorher abgesprochenes anderes Zeichen. Es sollten auch keine Bestrafungen drohen, wenn man das Einverständnis zu einer bestimmten Praktik zurücknimmt. Denn das baut Druck auf und würde den Widerruf erschweren.

Übrigens sichert eine schriftliche Zustimmung eures oder eurer Sub euch rechtlich auch nicht komplett ab. Denn sie bedeutet nur, dass die Einwilligung zu einem bestimmten Zeitpunkt vorlag. Zum Zeitpunkt einer Tat kann diese jedoch – auch mündlich – widerrufen worden sein. Ein schriftlicher Vertrag ist also kein Beweis für eure Unschuld. Ein Verzicht auf die Möglichkeit des Widerrufs ist rechtlich nicht möglich.

Wann ist BDSM verboten?

Grundsätzlich ist jede Form von BDSM mit Kindern unter 14 Jahren verboten. Hier ist es ähnlich wie beim Geschlechtsverkehr. Im Alter von 14 bis 17 Jahren hängt es von der geistigen Reife der oder des Heranwachsenden ab.

Es gibt im deutschen Strafrecht außerdem keine “nachträgliche Einigung”. Also: Erst fragen, dann schlagen. Es muss außerdem bekannt sein, zu was eingewilligt wird. Sicherlich muss nicht jeder Hieb und jede Klemme vorher abgesprochen sein. Aber es sollte vereinbart sein, was und wie man spielt.

Verboten ist darüber hinaus jede Art von lebensgefährlicher Körperverletzung. Denn diese wäre, wie oben beschrieben, trotz Einwilligung sittenwidrig. Sicher können einige Praktiken lebensgefährlich sein. Nämlich dann, wenn sie unvorsichtig oder leichtsinnig durchgeführt werden. Einig ist sich die Gesetzgebung jedoch bei den Folgenden:

Nicht Sittenwidrig:

  • Piercing, Nadelung
  • Cutting, Nageln (solang keine Sehnen und Knochen verletzt werden)
  • Klinikspiele sofern keine gesundheitlichen Risiken entstehen
  • An Haken aufhängen
  • Sub verleihen ohne Bezahlung (sofern Sub zustimmt)
  • Unfälle trotz erforderlicher Sorgfalt
  • Harte SM-Sessions ohne bleibende gesundheitliche Schäden

Schläge auf den Kopf können lebensbedrohlich sein. Genauso wie das Schlagen über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Auch beim Breathplay ist die Rechtssprechung nicht eindeutig und es muss der Einzelfall entscheiden.

Also dürfen wir das?

Ja, wir dürfen. Die genannten Gesetze sorgen für unsere Sicherheit und sollen uns nicht einschränken. Wer sich SSC verhält und verantwortungsbewusst spielt macht nichts Verbotenes. Doch wo es aufhört und wo die Grenzfälle liegen, ist ein anderes Thema.